Einblicke in die weibliche Sicht auf die Dinge
Der weibliche Blick auf die Welt ist meist anders. Möglicherweise, weil es in Krisen, Konflikten oder gar Kriegen vor allem Frauen und Kinder sind, die von Gewalt stets ein bisschen mehr bedroht sind. Da wundert es nicht, dass das Bundesministerium für Familie, Frauen und Jugend mit „Demokratie leben!“ Projekte fördert, die der Demokratie zu Gute kommen, die die Vielfalt mitgestalten und präventiv gegen Extremismus wirken. Ursprünglich standen in Ravensburg im Oktober gleich zwei Veranstaltungen im Kalender, die in diesem Rahmen gefördert werden.
Eine davon, die Lesung mit Sasha Marianna Salzmann, die für den 4. Oktober geplant war, fällt leider ersatzlos aus. Ihren Roman „Im Menschen muss alles herrlich sein“ sollten Sie dennoch unbedingt lesen: Salzmann wurde 1985 in der Sowjetunion geboren und ist im Alter von 10 Jahren als jüdischer Kontingentflüchtling mit ihrer Familie nach Deutschland emigriert. In ihrem zweiten Roman erzählt Salzmann von Umbruchzeiten, von der „Fleischwolf-Zeit“ der Perestroika bis ins Deutschland der Gegenwart. Sie erzählt, wie Systeme zerfallen und Menschen vom Sog der Ereignisse mitgerissen werden. Dabei folgt sie vier Lebenswegen und spürt der unauflöslichen Verstrickung der Generationen nach – über Zeiten und Räume hinweg, bildstark, voller Empathie und mit großer Intensität.
In der Zehntscheuer lebt indes die Tradition der Frauensalons wieder auf. Im 18. Jahrhundert entwickelten sich diese Salons als Orte des ungezwungenen Austauschens von Meinungen und Gedanken. Hier wurden Impulse gesetzt, frauenspezifische Fragen diskutiert und feministische wie gesellschaftspolitische Themen aufgegriffen. Und so rückt am 13. Oktober das Duo „Frauengold“ unter dem Titel „Geschirmt sind die Liebenden“ Lyrik, Prosa und Musik aus dem Exil jüdischer Künstlerinnen in den Fokus. „Geschirmt sind die Liebenden“ ist der Titel eines Gedichts der jüdischen deutsch-schwedischen Schriftstellerin und Lyrikerin Nelly Sachs und steht für die Lyrik von Rose Ausländer, Mascha Kaleko, Claire Goll, Selma Meerbaum-Eisinger und Gertrud Kolmar. Neben Lyrik stehen auch Ausschnitte aus der Literatur von Irmgard Keun sowie Klaviermusik von Ruth Schonthal, Wanda Landowska u. a. auf dem Programm. Das Leben dieser Künstlerinnen war geprägt vom Nationalsozialismus und von der Suche nach Heimat; sie alle mussten Deutschland verlassen. In eindrucksvollen Werken haben sie nicht nur ihre Trauer zum Ausdruck gebracht – auch Hoffnung, Liebe, Ironie, selbst Humor finden sich in den Gedichten und Texten wieder.
Christina Schwarz ist freiberufliche Texterin und Redakteurin.
Sasha Marianna Salzmann „Im Menschen muss alles herrlich sein“
–>Die Lesereihe fällt leider ersatzlos aus.
„Geschirmt sind die Liebenden“ – Duo Frauengold
- Oktober, Zehntscheuer Ravensburg, 20 Uhr