Trostmusik voller Wärme und Licht
Der November ist wahrscheinlich der unbeliebteste Monat im Jahreskreis. Grau, kalt und in stillem Gedenken präsentiert er: den Volkstrauertag, Allerheiligen, Allerseelen, den Totensonntag. An letzterem sind fröhliche Veranstaltungen sogar untersagt. Wie unrecht wir dem November tun, wenn wir ihm deshalb mit Unbehagen begegnen. Immerhin lädt er wie kein anderer Monat dazu ein, uns mit Verlust und Trauer auszusöhnen – wenn nicht sogar anzufreunden. „Trost“ bildet eine stabile Brücke auf diesem Weg. „Trost“ ist auch das zentrale Thema des Konzerts am Totensonntag in der Evangelischen Stadtkirche Ravensburg. Der Bachchor Ravensburg e. V. und die Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben haben ein Programm zusammengestellt, das uns den November zumindest an diesem Abend mit reichlich Licht erfüllt: mit Johannes Brahms‘ „Ein deutsches Requiem“ und dem Adagio aus der vierten Symphonie von Franz Schmidt.
Das „Deutsche Requiem“, das Brahms zwischen 1865 und 1868 komponierte, zählt zu den bekanntesten oratorischen Kompositionen des 19. Jahrhunderts. Bis dahin basierte das klassische Requiem auf der lateinischen Totenmesse, die den Verstorbenen gedenkt. Brahms Werk will hingegen die Hinterbliebenen trösten. Damals eine völlig neue, revolutionäre Perspektive! Daher setzte Brahms auch nicht auf lateinische Texte, sondern auf Texte aus der Lutherbibel: auf deutsch, für alle zugänglich, sanft und tröstend. Sätze wie „Selig sind, die da Leid tragen“ erinnern an die Zerbrechlichkeit des Lebens, aber auch an die Hoffnung, die sich in der Endlichkeit verbirgt.
Die vierte Symphonie des österreichischen Spätromantikers Franz Schmidt (1874–1939) ist ein nonverbales Requiem. Er komponierte es nach dem Tod seiner Tochter, die bei der Geburt ihres Kindes starb. Das Mädchen, Emma Schmidt, überlebte die schwere Geburt und heiratete später den Ravensburger Musikalienhändler Alfons Holzschuh. Diese Symphonie hat also einen sehr persönlichen Bezug zu Ravensburg. Franz Schmidt gehört neben Gustav Mahler zu den bedeutendsten Komponisten Österreichs um die Jahrhundertwende. In diesem Konzert wird das Adagio, das sogenannte „heimliche Cellokonzert“, zu hören sein: Das milde und sangliche Cello hinterlässt eine große Ruhe und besänftigenden Frieden. Und so wird auch dieses Stück zu einer berührenden Trostmusik und zu einer Meditation über Verlust und Weiterleben.
Christina Schwarz ist freiberufliche Texterin und Redakteurin.
Johannes Brahms: ein deutsches Requiem
So 24. November, Evangelische Stadtkirche Ravensburg, 17 Uhr
Bachchor Ravensburg e. V.
Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben
Johanna Risse, Sopran // Christian Feichtmair, Bariton // Leitung: Reiner Schuhenn