Das Theater Orchester Biel Solothurn TOBS! zu Gast in Friedrichshafen
Was für ein Chaos. Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie sind die junge Verlobte eines ehemaligen Friseurs. Morgen soll geheiratet werden, aber gerade jetzt macht Ihnen der Arbeitgeber des Verlobten Avancen. Gleichzeitig ist der Arbeitgeber höchst eifersüchtig auf seine Frau, der er eine Affäre mit einem Jüngeren unterstellt. Und zu allem Überfluss hat Ihr Verlobter einer älteren Dame die Ehe versprochen, falls er einen Kredit nicht zurückzahlen… Wie? Zu kompliziert? Einverstanden. Aber die gute Nachricht: Mit der passenden Musik funktioniert es trotzdem.
Wolfgang Amadeus Mozarts „Hochzeit des Figaro“ oder besser „Le nozze di Figaro“ – denn gesungen wird in Italienisch, obwohl die Handlung in Spanien spielt, aber Italienisch war halt gerade „en vogue“. Das ist Französisch, passt aber auch, denn in Frankreich nimmt die ganze Geschichte ihren Anfang. Ende der 1770er-Jahre kommt in Paris ein Theaterstück auf die Bühne, das kurz darauf auch nach Wien gelangt. Die Geschichte von Figaro, der gegen den Widerstand seines adligen Herrn seine Susanna heiraten will. Gespielt werden darf das Werk in Wien aber nicht. Zu kritisch, zu revolutionär. Mozart will trotzdem eine Oper daraus machen und tut sich mit dem wohl besten Operntexter seiner Zeit zusammen: Lorenzo da Ponte, der überzeugt den Kaiser persönlich davon, dass der Stoff als Oper vollkommen unproblematisch ist. Und schon kann es losgehen in rasantem Tempo, erinnerte sich da Ponte später: „Wir arbeiteten Hand in Hand, sobald ich eine Szene fertig hatte, setzte Mozart sie in Musik. In sechs Wochen war alles fertig.“ Sechs Wochen Arbeit für drei Stunden Oper, 28 Gesangsstücke und eine Geschichte, die auf den ersten Blick eher unübersichtlich wirkt: Im Zentrum steht die geplante Hochzeit von Figaro und Susanna. Die wird dank gewisser Irrungen und Wirrungen immer wieder verschoben. Stets mittendrin sind der Graf von Sevilla, der es auf Susanna abgesehen hat, und die Gräfin, die zwischen melancholischer Liebe und Eifersucht schwankt.
Hinter der emotionalen Love-Story verbirgt sich eine zweite, deutlich politischere Ebene. Hier kämpfen Bürgerinnen und Bürger um ihre Rechte gegen den Adel, der es gewohnt ist, sich zu nehmen, was er haben will. Dass drei Jahre später in Paris die Revolution ausbricht und die Bastille gestürmt wird, weiß bei der Premiere noch niemand, aber Mozart schreibt quasi schon den passenden Soundtrack. Am Ende gibt es aber doch keine Revolution, sondern die große Versöhnung. Der untreue Graf bittet seine Gemahlin um Vergebung und Figaro und seine Susanna dürfen endlich heiraten. Vorher aber gibt es Männer in Frauenkleider, Liebhaber, die sich hinter dem Sessel verstecken und Türen, hinter denen sich immer jemand anderes verbirgt als gedacht.
Das Theater Orchester Biel Solothurn TOBS! zeigt in Friedrichshafen diese zutiefst komische Oper mit ernstem Hintergrund und mit Musik, die so leichtfüßig und doch so komplex ist.
Johannes M. Gerlitz ist Veranstaltungsleiter im Kulturbüro Friedrichshafen.
Sa 19. Oktober, Graf-Zeppelin-Haus Friedrichshafen, 19.30 Uhr
Opera buffa in vier Akten von Wolfgang Amadeus Mozart
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Theater Orchester Biel Solothurn TOBS!
Musikalische Leitung: Sébastian Rouland
Inszenierung: Deborah Epstein