Peter Stamm liest aus „Das Archiv der Gefühle“
Der Ich-Erzähler in diesem kleinen, neuen Roman von Peter Stamm ist nach seinem Studium Archivar bei einer Zeitung geworden, er sammelt Artikel zu allen denkbaren Themen, zu denen Journalisten recherchieren. Für sich selbst erstellt er Listen von allen möglichen Dingen, „von Lieblingsbüchern und Lieblingsfilmen, von Leibspeisen, von Freunden und Feinden …, nur um einen Überblick zu haben in einer Welt,“ die ihn verwirrt. Es ist vierzig Jahre her, dass er mit Franziska eng befreundet war, sich in sie verliebte, aber nicht die Zeichen von ihr verstand und alle Chancen versäumte. Franziska war Sängerin und unter dem Künstlernamen Fabienne erfolgreich geworden. Er, dessen Name der Leser nicht erfährt, hat sich immer mehr zurückgezogen, als Archivar Fabiennes Leben verfolgt und nur noch in der Phantasie gelebt. „Inzwischen erschaffe ich mir meine Welt selbst. Meine Phantasie hat mir alles gegeben, was ich mir wünschen konnte. Die Realität vermochte nie mitzuhalten.“ Nun taucht Franziska wieder in seinem Leben auf.
Peter Stamms Kunst ist im „Zwischendrin“ angesiedelt. Schon in seinem Debütroman „Agnes“ (1998), mit dem er zum Shootingstar der Schweizer Literatur geworden ist, lässt er die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zerfließen. Er ist ein Meister der unspektakulären und doch sehr spannenden Erzählweise. Oft wird mit wenigen sachlichen Worten eine ganze Gefühlswelt umrissen. Peter Stamm ist mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet worden, seine Werke sind in 37 Sprachen übersetzt und er hat Lesereisen in die ganze Welt unternommen.
Peter Stamm: „Das Archiv der Gefühle“
Mo 18. Oktober, Kiesel im k42 Friedrichshafen, 20 Uhr
Fotorechte: Anita Affentranger