Kult seit 30 Jahren: Attwenger
Der letzte Schrei, das wirklich Einmalige, wird ja häufig ausgerufen. Bei genauerem Hinhören entpuppt es sich allerdings allzu oft als der sprichwörtliche „alte Wein in neuen Schläuchen“. Nicht so beim aus Linz gebürtigen, längst aber in Wien stationierten Attwenger-Duo. Was Markus Binder (Schlagzeug) und Hans-Peter Falkner (elektrische Knopfharmonika) seit inzwischen über 30 Jahren (erster Auftritt am 13. April 1990 morgens um 3 Uhr in der Wiener Arena) kreieren und zelebrieren ist eine wahrlich eigene Kunstform zwischen elektrisch aufgemotztem Folk und bretterhartem Polka-Punk. Damit sind zwar ein paar Koordinaten gesetzt, doch was sagt das schon? Wirklich in Worte fassen lässt sich das Attwenger-Phänomen kaum. Man muss dann doch live erlebt haben, mit welcher Energie die beiden Herren nach wie vor ihren kompromisslosen und laufend neu definierten Slang-Groove aus alpenländischen und zeitgenössischen Sounds dem schnell enthemmten Publikum vor die Füße knallen. Attwenger-Konzerte sind stets schweißtreibend und kräftezehrend für alle Beteiligten. Und dabei grundsätzlich politisch. Binder und Falkner lassen sich nicht ausbremsen bei ihrem leidenschaftlichen Programm gegen Konformität und Beliebigkeit, bezeichneten sich gar schon als „Definitionsverwirrungsinstitut“.
Ziemlich neu ist das 9. Studioalbum „Drum“. Zum Titel kam es „auch deshalb, weil Umstände zur Sprache gebracht werden wollten, die nerven. Es wird darüber gesungen, dass Happiness zum Business wurde, die Leute zwar weit sind, aber leider nicht weiter. Darüber hinaus geht es drum, dass die Realität zu real ist, ein wenig weniger sehr gut täte und dass sich letztlich niemand in die Hose zu machen braucht“, so Markus Binder. Im Song „Leider“ heißt es in der attwenger-typischen Sprachartistik:
„proleten und proletinnen jeglichn geschlechts
fria hobz die linken gwöd und jetzt do wöz ihr rechts
fria internationale solidarität
und jetzt wird nur mehr gredt bled von da identität
und waunst eana sogsd dass du des ned mogsd
dass du diese identität ned vadrogsd
daun schauns die so au wie nur ana schaun kau
der si fiacht vor irgendwos.“
Manchmal sind Attwenger ziemlich dada, manchmal aber auch sehr direkt.
Live kommt das alles wahrlich einmalig über die Kante: ein „Doppel-Wumms“, dem sich niemand entziehen kann.
Michael Borrasch ist Geschäftsführer der Zehntscheuer
Attwenger
Sa 10. Dezember, Zehntscheuer Ravensburg, 20 Uhr