WDR-Sinfonieorchester spielt Hensel, Schumann und Brahms
Behutsam antworten Klarinetten und Flöten auf scheue Fragen der Streicher und ermutigen sie zu einem Lied ohne Worte – ein Atemholen. Denn mit dem rasanten Aufschwung der Geigen, leichtfüßigen Fanfaren von Trompeten und Posaunen und einem graziös getupften Anlauf des ganzen Orchesters beginnt die eigentliche Ouvertüre. Melodien funkeln, Modulationen überraschen, Übermut wandelt sich in Sanftmut, bis das Finale aufleuchtet. Fanny Hensels Ouvertüre in C-Dur ist ein Meisterwerk und ihr einziges bekanntes Werk für Orchester. Dass das WDR Sinfonieorchester mit dieser Ouvertüre sein romantisches Abendprogramm im Graf-Zeppelin-Haus eröffnet, ist eine schöne Würdigung der Komponistin. Deren Werke werden sonst vor allem in explizit der Musik von Frauen gewidmeten Konzerten aufgeführt. Das Orchester aus Köln ist in Deutschland eins der besten. Unter der Leitung von Chefdirigent Cristian Măcelaru ist es international unterwegs, besorgte zahlreiche Uraufführungen und engagiert sich für die Musikvermittlung vor allem bei Kindern und Jugendlichen.
Robert Schumann vollendete sein Violinkonzert im Oktober 1853, wenige Monate vor seiner Einlieferung in die Nervenklinik Endenich. Er litt unter tinnitusartigen Beschwerden und neigte zu Ängsten und Depressionen. Wie sein gesamtes Spätwerk ist das Violinkonzert umstritten: Einige Kritiker sahen in ihm Wahnsinn und Verfall, andere Genie und Zukunft. Für beides gibt es Argumente: Hinreißend schöne Geigenlinien verlieren sich in Monologen, hinter der Fassade der Heiterkeit lauern Abgründe der Verzweiflung, der dritte Satz tritt trotz aller Bewegung auf der Stelle. Der Geiger Yehudi Menuhin fasste zusammen: „Wenn Schumann dieses Konzert im Wahnsinn geschrieben hat, so möchte ich ebenfalls wahnsinnig sein.“
Den musikalischen und psychologischen Herausforderungen stellt sich in Friedrichshafen der junge Geiger Daniel Lozakovich. Geboren in Schweden, gewann der 23-Jährige zahlreiche Preise, trat in der Mailänder Scala, der Berliner Philharmonie und bei den BBC Proms auf und ist seit acht Jahren Exklusivkünstler der Deutschen Grammophon. Das Programm schließt mit der ersten Sinfonie von Johannes Brahms. Der selbstkritische Komponist arbeitete 14 Jahre an dem Werk – eine Sinfonie sei eine Angelegenheit auf Leben und Tod, schrieb er einmal. Komplexer Kontrapunkt trifft auf Poesie, durchsichtige Kammermusik steht neben Hochspannung mit Pauken, ein strahlender Choral krönt den Gesang im vierten Satz.
Corinna Raupach ist freie Journalistin.
WDR Sinfonieorchester
Sa 29. März, Graf-Zeppelin-Haus Friedrichshafen, 19.30 Uhr
Daniel Lozakovich, Violine
Cristian Măcelaru, Leitung
Fanny Mendelssohn-Hensel: Ouvertüre für Orchester C-Dur
Robert Schumann: Violinkonzert d-Moll WoO 1
Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68