Nandor Angstenberger in der Galerie Weingarten
Der Ausnahmekünstler Nandor Angstenberger (*1970) schafft in seinen Werken eine Parallelwelt aus gefundenen Materialien. Viele der Architekturmodelle und kleinteiligen Modellgebäude scheinen aus einem Fantasyfilm zu stammen. Die Türme, Brücken, Bögen, Stege, Raffinerien und Fabriken sind aus einem Sammelsurium von Plastikabfällen und Überresten der Alltagskultur kunstvoll zusammengefügt. Dazwischen Perlen, Ketten, Rührlöffel aus Kunststoff, Scherben, Fäden. Es ist ein wundersamer Kosmos, vorherrschend weiß, dazwischen wenige gezielte Farbakzente. Eine chaotische Ordnung, die so fremdartig wie nah erscheint und die Betrachter zur visuellen Erkundungsreise animiert. Der Künstler Nandor Angstenberger versteht sich als Weltenbauer, der zugleich Brücken baut zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Tatsächlich haben die Objekte, die sich zu ganzen Stadtlandschaften arrangieren lassen, einen tagebuchartigen Charakter: Die eingesetzten Materialien haben eine Geschichte in Bezug auf ihre frühere Verwendung. Zudem versinnbildlichen die Dinge auch ein autobiografisches Modell, und zwar immer dann, wenn die vom Künstler eingesetzten Gegenstände und Objekte Bezug zu dessen Leben haben. Das kann eine alte Rechnung sein, Bonbonpapiere, Bildränder, Getränkeflaschen und Reststücke aus anderen Arbeitsprozessen, die, nun nach Farbabstufungen sortiert, eine neue Verwendung finden. Aus der Erinnerung wird Neues. Der Begriff des Gedankengebäudes erfährt so bei Nandor Angstenberger eine neue inhaltliche Dimension.
Wiewohl einer spürbaren Lust am Spiel entsprungen, sind diese Phantasmagorien doch mehr als visueller Fluchtraum oder Projektion. Die Parallelwelten sind ein Extrakt von Elementen der realen Welt, in der gewohnte Dinge neue Bedeutungen annehmen. Ein Arrangement freilich, das von der Magie der Dinge lebt und vom überraschenden Moment der Metamorphosen profitiert. Die Biografie des in Berlin lebenden Nandor Angstenberger, der seine Jugend im oberschwäbischen Tettnang verbrachte, ist vom Leben in Ungarn, im ehemaligen Jugoslawien und in Deutschland geprägt, ein Aspekt, der womöglich die Motivation zur Erfindung von Räumen jenseits dessen, was uns vorgegeben ist, erklärt.
Prof. Dr. Martin Oswald ist Kurator der Ausstellung und ehrenamtlicher Leiter der Galerie Weingarten.
Ausstellung Nandor Angstenberger: Terra incognita
Vernissage: Do 20. April, 19 Uhr, Galerie Weingarten, Kirchstraße 11
- April bis 4. Juni 2023
Öffnungszeiten: Mi 10–13, Sa 10–13, So 14–17 Uhr
Foto: (c) Anja Köhler.