Das Simply Quartet spielt Webern, Bartók und Dvořák
Bis heute streiten Musikwissenschaftler, ob Dvořáks zwölftes Streichquartett böhmische oder amerikanische Musik darstellt – Pentatonik und Synkopen finden sich sowohl in der tschechischen Volksmusik als auch in der Musik indigener Völker Amerikas und in Spirituals schwarzer Arbeiter. Antonín Dvořák nahm die Aufgabe sehr ernst, den jungen USA eine eigene Nationalmusik zu schenken. Nach der Vollendung der „Sinfonie aus der neuen Welt“ in New York verbrachte er den Urlaub in Spillville (Iowa) und ließ sich bei Morgenspaziergängen von Geräuschen der Natur inspirieren. Dort entstand das „amerikanische Streichquartett“, in dem Vogelrufe und Tanzrhythmen ätherischen Klängen leiser Wehmut begegnen.
Ein solches Werk passt in das Selbstverständnis des jungen Simply Quartets. Seit der Gründung in Schanghai und dem Studium in Wien und Madrid suchen die dort Musizierenden nach der universalen Sprache der Musik. Dabei betont die Besetzung aus China, Österreich und Norwegen die unterschiedlichen Herkunftskulturen, lässt sich auf Kompositionen verschiedener Zeiten und Regionen ein und lotet immer wieder Grenzen aus. Vom Erfolg zeugen Auszeichnungen in Kopenhagen, Bordeaux und Graz, Konzerte in Brüssel, London und Paris sowie weitere Debuts in Brüssel, Amsterdam und Luxemburg als ECHO „Rising Stars“.
Sie eröffnen das Konzert im Graf-Zeppelin-Haus mit dem „Langsamen Satz für Streichquartett“ von Anton Webern, der später als Wegbereiter der Zwölftonmusik die Grenzen der Tonalität ergründete. Dieses frühe Meisterwerk in spätromantischer Tonsprache verfasste er als Student, nachdem er sich bei einer Wanderung in seine spätere Frau verliebt hatte. Mit Béla Bartók steht ein weiterer Grenzgänger auf dem Programm: Sein viertes Streichquartett verbindet ungarische Volksmusik mit den Formen klassischer Kammermusik und solidem Kontrapunkt.
Corinna Raupach ist freie Journalistin.
Fr 2. Februar, Graf-Zeppelin-Haus Friedrichshafen, 19.30 Uhr
Danfeng Shen, Violine
Antonia Rankersberger, Violine
Xiang Lyu, Viola
Ivan Valentin Hollup Roald, Violoncello
Anton Webern: Langsamer Satz für Streichquartett
Béla Bartók: Streichquartett Nr. 4 C-Dur Sz. 91
Antonín Dvořák: Streichquartett Nr. 12 F-Dur op. 96 „Amerikanisches“