Spielfelder der Wirklichkeit
Erstmals bietet die retrospektive Ausstellung einen umfassenden Einblick in das facettenreiche Werk des Malers Helmut Sturm (1932–2008, D) und beleuchtet seine verschiedenen Schaffensphasen von Ende der 1950er-Jahre bis zu seinem Tod. Sein kraftvolles farbmächtiges Œuvre kennzeichnet zeitlebens ein offener, dynamischer Malprozess sowie die freie Verbindung von Gegenständlichem und Abstraktem. Die Ausstellung und ein umfangreicher Katalog entstanden in enger Kooperation mit der Kunsthalle Emden und dem Museum Lothar Fischer sowie in Zusammenarbeit mit dem Nachlass Helmut Sturm. Sowohl die Sammlung Selinka des Kunstmuseums Ravensburg wie auch die Sammlungen der Kooperationspartner umfassen zentrale Arbeiten von Sturm.
Als Mitbegründer der Künstlergruppe SPUR (1957–1965), eine der ersten Avantgardebewegungen im Nachkriegsdeutschland, trägt Sturm maßgeblich zur künstlerischen Aufbruchstimmung der 1960er-Jahre bei. In den fünf Jahrzehnten seines Schaffens gehörte der langjährige Professor an der Kunstakademie München (1985–1998) ebenfalls zu den zentralen Akteuren der Künstlergemeinschaften SPUR WIR, GEFLECHT und KOLLEKTIV HERZOGSTRASSE und war für kurze Zeit eng mit der Situationistischen Internationale verbunden. Getragen von Neugier, Experimentierfreudigkeit und Idealismus hat sich Helmut Sturm – sowohl im intensiven Austausch mit anderen Künstler:innen wie im einsamen Dialog mit der Leinwand – die permanente Befragung seiner Malerei zur Lebensaufgabe gemacht. Die Leinwand verstand Sturm als ein »räumlich bewegtes Spielfeld«, in dem sich Geschlossenheit und Expansion, Konstruktion und spontaner Gestus mit „allerlei Gerümpel aus der Spielzeugkiste der Wirklichkeit“ verbinden.
Die Ausstellung umfasst die Filmcollage „Situationistisch sein“ (2017) von Felix Boekamp (* 1977, CH), eine fragmentarische Annäherung an Helmut Sturms Werk und an die Situationistische Internationale. Im Sammlungsraum im Erdgeschoss gibt das filmische Porträt „Gruppe SPUR – Die Maler der Zukunft!“ (2019) von Sabine Zimmer einen einzigartigen Einblick in das malerische und gesellschaftspolitische Wirken der Künstlergruppe SPUR (1957–1965). Eine umfangreiche Präsentation der sieben SPUR-Zeitschriften (1960/61) komplettiert das Verständnis der Gedankenwelt dieser Avantgardebewegung.
Ute Stuffer ist Direktorin des Kunstmuseum Ravensburg.
Helmut Sturm „Spielfelder der Wirklichkeit“
Bis 1. November, Kunstmuseum Ravensburg
Di bis So 11–18 Uhr, Do 11–19 Uhr
Rahmenprogramm:
Fr. 8.10., 18 Uhr: Ausstellungsrundgang mit Dr. Pia Dornacher, Direktorin des Museum Lothar Fischer
Do 28.10., 18 Uhr: Ausstellungsrundgang mit Katharina Sturm, Tochter des Malers.
Do 21.10., 17 Uhr: Ausstellungsrundgang mit der Kuratorin Ute Stuffer
Bildnachweis: Helmut Sturm, Ohne Titel, um 1975, Öl auf Leinwand, 100 x 110 cm, Archiv Helmut Sturm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Andreas Sturm, München