Esther Kinsky liest in Friedrichshafen und Ravensburg
Der Friedhofsmitarbeiter Anselmo erinnert sich in Esther Kinskys neuem Roman noch gut an das dunkle, grollende Geräusch, das einem heftigen Erdbeben vorausgeht, wie es sich im Mai 1976 im Friaul ereignet hat. Dieses Geräusch heißt im Italienischen „Rombo“. So lautet auch der lautmalerische Titel des noch vor Erscheinen preisgekrönten Buchs, in welchem neben Anselmo noch sechs weitere Bewohnerinnen und Bewohner eines abgelegenen Bergdorfs im nordöstlichen Italien von ihrem Leben berichten, in dem zwei schwere Erdbeben im Jahr 1976 tiefe Spuren hinterlassen haben. Zehntausende verloren ihre Heimat und verließen das Friaul für immer. Die Materialverschiebungen infolge der Beben sind gewaltig, sie bilden neues Gelände, an denen sich die Wucht des Eingriffs ablesen und in die Begriffe der Naturkunde fassen lässt. Doch für das menschliche Trauma, für die Erfahrung der plötzlich zersprengten Existenz, lässt sich die Sprache nicht so einfach finden.
Spätestens seit „Hain“, ihrem gefeierten „Geländeroman“, der 2018 den Preis der Leipziger Buchmesse gewann, gehört Esther Kinsky zu den wichtigsten Vertretern einer neuen Form sprachgewaltiger und zugleich sensibler Naturbeschreibungen. Im Rahmen des Bodenseefestivals stellt sie am Montag, 23. Mai im Kiesel im K42 in Friedrichshafen „Rombo“ vor. Darüber hinaus spricht sie mit dem Südtiroler Autor Oswald Egger, der seinen Text „Entweder ich habe die Fahrt am Mississippi nur geträumt, oder ich träume jetzt“ mitbringt, darüber, was Natur und Gestein für ihr literarisches Schaffen, aber auch für sie persönlich bedeuten und wieso sie den Begriff des „Geländeromans“ für ihr Schreiben passender als „Nature Writing“ erachtet. Moderiert wird der „Lange Abend der Literatur“ von der Ladenburger Lyrikerin Carolin Callies.
Bereits am Vortag lädt die Ravensburger Buchhandlung „Anna Rahm – mit Büchern unterwegs“ zum Gespräch und gemeinsamer Wanderung mit Esther Kinsky ins Schloss Achberg ein. Im Schloss stehen zunächst Kinskys Schreiben und ihr neuer Roman im Zentrum. Anschließend wird gemeinsam mit der Autorin vom Schloss Achberg zur Argen gewandert, wo Zeit für weitere Themen besteht. Der Eintritt zur aktuellen Ausstellung im Schloss Achberg ist im Eintrittspreis zur Lesung enthalten. Die Wanderung findet auf festen Wegen statt, ist aber leider nicht barrierefrei.
Florian Kind ist Veranstaltungsleiter im Kulturbüro Friedrichshafen.
Gespräch und Wanderung mit Esther Kinsky
So 22. Mai, Schloss Achberg, Rittersaal, 11.30 Uhr
Anschließend Wanderung zur Argen
Nature Writing?! Ein langer Abend der Literatur
Mo 23. Mai, Kiesel im k42 Friedrichshafen, 19.30 Uhr
Mit Esther Kinsky und Oswald Egger, Moderation: Carolin Callies
Eine Veranstaltung im Rahmen des Bodenseefestivals 2022
Foto: © Heike Steinweg, Suhrkamp Verlag.