Verena Güntner erzählt märchenhaft von Schuld und Radikalisierung
„Power ist ein parabelartiger Dorfroman, der die Vorstellung vom ereignislosen Landleben in ihren Grundfesten erschüttert. Er führt vor, wie sich Gruppendynamiken entwickeln und zeigt, dass Macht nicht von Größe, Gewaltbereitschaft oder Geld abhängen muss.“ Lucia Gsell, SWR2.
Die selbstbewusste Kerze ist gerade noch ein Kind. Die Elfjährige lebt in einem kleinen, von Wald und Feldern umgebenen Dorf, das kaum mehr zweihundert Bewohner zählt. Eine Dorfgemeinschaft gibt es hier schon lange nicht mehr und mit den Kindern beschäftigt sich sowieso niemand. Die Erwachsenen sind in der Überzahl, sie sind mal brutal und hartherzig, mal abwesend und gleichgültig. Als eines Tages Power, der Hund von Kerzes dementer Nachbarin Hitschke verschwindet, verspricht das Mädchen, ihn zu finden. Nach und nach schließen sich alle Kinder des Dorfes Kerze an. Da die Suche zunächst erfolglos bleibt, wird das Suchgebiet auf den naheliegenden Wald ausgeweitet. Unter der Führung Kerzes beginnen die Kinder, tierische Eigenschaften anzunehmen: Sie verwandeln sich selbst in ein „Rudel“, sie bellen und hecheln, kriechen auf allen Vieren und riechen an den Intimregionen der anderen, um Power zu finden. Die Erwachsenen nehmen das Verhalten der Kinder zwar argwöhnisch wahr, handeln aber erst, als die Kinder nicht mehr aus dem Wald zurückkehren.
Verena Güntner wurde 1978 in Ulm geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Berlin. Nach ihrem Schauspielstudium am Mozarteum Salzburg spielte sie zunächst viele Jahre am Theater Bremen und am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. 2012 nahm Güntner am 20. open mike in Berlin teil und widmete sich fortan der Literatur. Für einen Auszug aus ihrem Romandebüt „Es bringen“ erhielt sie 2013 den Kelag-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt. „Power“ ist Verena Güntners zweiter Roman und stand 2020 auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse.
Verena Güntner liest aus „Power“
Mo 4. Juli, Kiesel im k42 Friedrichshafen, 19.30 Uhr
Foto: Stefan Klüter